Alle Jahre wieder: spätestens Ende November dominieren Lebkuchen, Schoko-Nikoläuse und andere Weihnachtsleckereien und Festtagsspeisen die Supermarktregale. Der 'Weihnachtszauber' greift um sich und fiebert, mit dem Beginn der Adventszeit, seinem Höhepunkt entgegen. Schaufenster werden weihnachtlich dekoriert, Straßenlaternen und Häuser mit Lichterketten geschmückt, Weihnachtsmärkte schießen überall wie Pilze aus dem Boden, im Radio wechseln sich Wham! und Chris Rea mit Bob Geldorfs Kassenschlager „Do the know it's Christmas“ ab, die Werbebranche und der Einzelhandel geben ihr Bestes, damit wir Anderen – zum Fest der Feste – eine Freude machen und Charity Events haben Hochsaison. Man kommt an Weihnachten nicht vorbei und doch, irgendetwas fehlt.

    Wir ereifern uns im Plätzchen backen, Geschenke kaufen, Baum schmücken und besinnlichem Beisammensein und dennoch fehlt das 'weihnachtliche Gefühl'. Zumindest mir geht es so. Vielleicht, denke ich, vielleicht kommt dieses Gefühl, wenn endlich der erste Schnee fällt? Oder wenn ich alle Geschenke besorgt habe? Oder wenn ich genug Weihnachtsfilme im Fernsehen gesehen habe, oder, vielleicht wenn ich einmal in der Kirche war? 

    Als Kind war die vorweihnachtliche Zeit irgendwie magisch und spannungsgeladen. Man öffnete jeden Tag ein Türchen und fieberte dem Heiligen Abend entgegen. Die Menschen waren liebevoller miteinander, Weihnachten ist schließlich das Fest der Liebe. Man glaubte an die Geburt Jesu und an das Wunder, dass Gott uns aus Liebe seinen Sohn geschenkt hat. Man war gespannt darauf, was man unter dem Baum finden würde und vor allem, ob man das Christkind wohl dieses Jahr endlich zu Gesicht kriegen würde. Man glaubte eben einfach an Weihnachten.

    Mit dem Glauben an die Großzügigkeit meiner Eltern, anstatt an das Wohlwollen des Christkindes und mit den Zweifeln an Gottes 'Geschenk' zur Rettung der Menschen, sowie an der Aufrichtigkeit der Nächstenliebe, hörte bei mir der Zauber von Weihnachten auf. Weihnachten wurde zum 'Geschäft' des Freude schenkens.

    Ich habe kürzlich den „Grinch“ gesehen und musste mich, so wie die kleine Cindy Lou Who fragen: „Where are you Christmas? Why can't I find you? Why have you gone away?“ 

    Vielleicht steckt auch in mir ein kleiner Grinch, aber was ist denn Weihnachten heute noch? Ohne den kindlichen Glauben an Gottes unendliche, selbstlose Liebe oder, vom Religiösen ein wenig losgelöst, ohne den Glauben an die selbstlose Liebe der Mitmenschen?

    In der Weihnachtszeit denkt jeder urplötzlich nicht mehr ausschließlich an sich selbst, sondern zuerst an alle anderen. Es gilt (Zitat Coca Cola): „Mach anderen eine Freude.“ Das Freude Schenken wird zum Marketing Credo degradiert. Ich finde das Ganze, um es vorsichtig zu formulieren, ein wenig unaufrichtig. Elf Monate dreht sich unser Leben nur um uns und in der Adventszeit können wir gar nicht genug davon bekommen, anderen eine Freude zu machen. Warum, spenden wir zu Weihnachten für Flüchtlingskinder oder Obdachlose, aber für eine ganzjährige Patenschaft für ein Kind in der dritten Welt, reicht unsere Nächstenliebe dann doch nicht aus. Machen wir dem Anderen wirklich aus reiner Selbstlosigkeit eine Freude? Oder handelt es sich nicht vielmehr um so eine Art 'Reinigungsritual' für unsere geschundenen Seelen? Wir fühlen uns besser, wenn wir mal ausnahmsweise nicht zuerst an uns denken.

    Vielleicht sehe ich das auch zu pessimistisch; man könnte auch sagen, besser man denkt zumindest in der Adventszeit an den Anderen als gar nicht. Dennoch, mich macht Weihnachten immer ein wenig traurig. Ich finde es schade, dass diese Zeit der Liebe und des 'an den Anderen denken' so knapp bemessen ist. Aber vielleicht ist schon diese Sichtweise zu pessimistisch...Nevertheless: Merry Christmas!

    Link ins Forum: http://hit-rock-bottom.xobor.de/t27f5-Where-are-you-Christmas.html#msg61

    Lange war es still um mich, doch nun sind alle Hausarbeiten und Prüfungen gemeistert und ich kann mich wieder dem Philosophie Blog widmen. Ich habe mich in meiner Hausarbeit zum Filmseminar im Sommersemester 2014 mit dem Film 'The Great Gatsby' beschäftigt und mit seinem Traum. Dem Traum von einer besseren Zukunft, einem Leben der Superlative und dem Traum, die Vergangenheit zurück zu holen. Gatsby – ein Aufsteiger wie aus dem Bilderbuch – möchte immer noch höher hinaus, noch reicher und mächtiger sein, seine Zukunft gestalten wie er sie sich erträumte. Gleichzeitig versucht er, die Vergangenheit zurück zu holen, er glorifiziert sie. Dadurch verliert er den Blick für den Augenblick, weil er immer nur die Zukunft und die Vergangenheit im Blick hat.

    Nietzsche würde sagen, er lebt historisch. Anders als das Tier, das vergessen kann, bindet den Menschen die Erinnerung an die Historie. Bedingt durch das Erinnern an Vergangenes, können wir die Schönheit des Augenblickes nicht genießen. Wir wollen 'alte Zeiten zurück' und idealisieren die Vergangenheit oder, wir blicken verächtlich auf sie zurück und versuchen sie durch eine glorreiche Zukunft zu überwinden.

    Wer den Film oder das Buch kennt, würde behaupten, Gatsby habe es geschafft, seinen Traum gelebt. Zumindest den Traum von einer besseren Zukunft konnte er verwirklichen – aus dem armen Niemand ist ein Jemand geworden. Nur seine große Liebe Daisy konnte er nicht zurück gewinnen.

    Die Tragik dieses Träumers liegt aber darin, dass Gatbsy eigentlich nicht von der großen Liebe oder von materiellen Dingen träumt. Ich würde meinen, er träumt von Größerem, träumt den Traum den alle Menschen haben – so ist der verwirklichte Traum vom Aufstieg lediglich ein 'schöner Schein', eine Illusion.

    Der 'große Traum', der hinter all diesen Oberflächlichkeiten der Welt um ihn herum steckt, ist der von Geborgenheit, Zufriedenheit, vom Einklang mit sich und der Welt, von Vollkommenheit. Es geht um den Traum vom 'Gnoti Se Auton' – an diesem, ist Gatsby gescheitert. Was er wirklich sucht, ist der vollkommene Moment, den er erleben durfte, als er sich in Daisy Buchanan verliebte – darum möchte er auch die Vergangenheit unbedingt 'wiederholen', er möchte diesen Moment zurück.

    Die Tragik liegt also eben darin, im Scheitern an dem 'wahren' Traum. Der Mensch möchte immer noch mehr Dinge, noch mehr Macht, noch mehr Geld – wir leben in einer Welt der Superlative. Aber all diese oberflächlichen Dinge können uns nicht zufrieden stellen, glücklich machen, weil es die 'falschen' Dinge sind, noch dazu vergängliche, historische Dinge. Doch was macht uns glücklich? Diese Frage ist eigentlich unwichtig, wichtiger ist, das Glück zu genießen, den Moment auszukosten indem wir glücklich sind.

    Das Glück, gleich welcher Art, wird zum Glück, allein durch die Fähigkeit während seiner Dauer unhistorisch zu empfinden – also weder auf die Vergangenheit, noch auf die Zukunft zu blicken.“ (Nietzsche, Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben).

    Und so blicken wir ewig traurig auf einen vergangen Moment der Vollkommenheit, der nicht zurück kommen wird. Aber den wir hoffen zu erreichen, wenn wir nur weiter an unserem Glück arbeiten. Doch das Fatale ist, dass wir das wirkliche Glück dabei 'verpassen'. Denn Glück braucht keinen Reichtum, auch keine Macht – es kommt von alleine, es liegt im Zauber des Augenblickes verborgen und wartet darauf, erkannt zur werden. Also: lebt den Moment, lebt unhistorisch!

    All the bright, precious things fade so fast. And they don't come back.“

    (Daisy Buchannan)

     

    Lasst die Spiele beginnen!

    Es ist wieder soweit, das sportliche Event der Superlative steht bevor. Deutschland rückt zusammen. Ein bekannter Erfrischungsgetränke Hersteller verkündet: "WM, das sind wir alle." Und so trinken wir auf Bastian & Co. und verbringen die Abende wieder mit Public Viewing, in der Hoffnung auf das "Sommermärchen 2014".

    Man diskutierte jüngst sogar, ob man die Arbeit / Schule später beginnen lassen sollte, damit der deutsche Fußballfan die späten Spiele ansehen und am nächsten Tag dennoch ausgeschlafen seiner Pflicht nachgehen kann. Was ist es, das diese Faszination auslöst? Der Fußball an sich? Jogis Jungs? Oder eher das Aufgehen im Kollektiv?

    Ich meine, es ist das 'WIR-Gefühl' das man in Deutschland – aufgrund unserer Vergangenheit – lange vermisst hat. Der Patriotismus der für andere Völker so selbstverständlich scheint, greift in Zeiten der WM auch in Deutschland um sich. Es ist schon besonders was sich da in unserer Gesellschaft abspielt. Wir sind 'Schland, wir fiebern, bangen und freuen uns gemeinsam. Wir tragen wieder Schwarz, Rot, Gold, schwenken Fahnen und das mit Stolz. Vielleicht packt unsere Angie sogar wieder ihre Deutschlandkette aus. Sonst so bedacht auf Individualität und Originalität, gehen wir urplötzlich im Kollektiv auf. Der Mensch ist eben doch ein Herdentier - hin und wieder brauchen wir das scheinbar. Empathie macht sich breit -  ich fühle, was du fühlst; plötzlich hat man etwas gemeinsam. Besonders beim Public Viewing ist die Euphorie bzw. die Trauer über den Ausgang eines Spiels zum Greifen nah. Die Luft ist zum Zerreißen gespannt, 90 Minuten pure Emotionen. 

    Vielleicht ist es aber auch so, dass Deutschland einfach Vorbilder oder Volkshelden braucht. Wo findet man die heute schon noch? In der Politik oder Wirtschaft? Da ist statt Heldentum und Tugend wohl eher Korruption und moralische Flexibilität angesagt. In einer pluralistischen Gesellschaft dürfte es auch problematisch seinen, sich auf einen gemeinsamen Helden aus den Reihen der Kirche zu einigen, zumal Religion heute auch nicht mehr so brisant ist. Und Drachen und Jungfrauen in Nöten, die gibt es ja schon lange nicht mehr, insofern sind 'richtige' Heldenfiguren wie Siegfried und Erec auch aus der Mode gekommen.

    Neue Helden braucht das Land. Idealtypen zu denen wir aufsehen, die wir bewundern können, die unsere eigene Unzulänglichkeit mit ihrer Exorbitanz kompensieren. Warum also die Helden nicht unter Jogis Jungs suchen? Auf den ersten Blick, sehen sie doch aus wie Helden: sie haben stahlharte Körper, welche Kraft symbolisieren, sie kämpfen unerbittlich gegen 'Ungeheuer' z.B. die portugiesische Nationalmannschaft. Sie setzen sich für das 'Wohl der Allgemeinheit' ein, nämlich Deutschlands Ansehen in der sportlichen Welt und sie sind Vorbilder zahlreicher kleiner und großer Jungs. Ich würde sagen, sie haben durchaus Potenzial.

    Eigentlich möchte ich dieses besondere Ereignis gar nicht weiter kaputt diskutieren und beleuchten, das tun die Medien ausreichend, meine ich. Ich lasse lieber die Sportfreunde Stiller sprechen:

    "Eins und zwei und drei und 54,74,90,2010 - ja so stimmen wir alle ein. Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir Weltmeister sein.

    Wir haben nicht die höchste Spielkultur, sind nicht gerade filigran, doch wir haben Träume und Visionen und in der Hinterhand 'nen Masterplan."

    'Doch wir haben Träume und Visionen' - vielleicht ist es genau das, was die Besonderheit der Weltmeisterschaft ausmacht. Das Vorhandensein eines gemeinsamen Traumes, der vom Titel. Trinkt 'ne Coke auf unsere Jungs, wedelt mit Deutschland Fahnen, geht auf im Kollektiv, feiert, bangt und freut euch gemeinsam mit allen und genießt die kochende Euphorie in Deutschland. Für Pessimismus und Fragen rund um Mindestlohn und Rente, haben wir dann im Sommerloch wieder genug Zeit.

    Lasst die Spiele beginnen und überlegt doch mal selbst, was Deutschland in den Ausnahmezustand versetzt.

    "Beim ersten Mal war's ein Wunder, beim zweiten Mal war's Glück, beim dritten Mal der verdiente Lohn und das nächste Mal wird's ne Sensation."

    'Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken' – Klischee Betrachtungen 

    Der moderne und aufgeklärte Mensch, der in pluralistischen Gesellschaften lebt, müsste sich an 'Andersartigkeit', das 'Fremde' längst gewöhnt haben. Wir haben die Vorurteile – negativ besetzte Klischees – unserer Großeltern gegen ausländische Mitbürger, fremde Religionen oder Homosexualität zum größten Teil abgelegt.

    Interessanterweise sind aber Klischees, die Vorstufe von Vorurteilen, nach wie vor präsent im täglichen Miteinander. Ein paar der wohl bekanntesten: Frauen können nicht einparken, Männer nicht zuhören, IT-ler meiden die Sonne und den sozialen Kontakt, BWL-er sind seelenlos, Philosophen hoffnungslose Träumer und Weltverbesserer, Veganer humorlose und kränkliche (wegen den fehlenden Nährstoffen) Moralaposteln, Germanisten enden immer als Taxifahrer und Psychologen haben allesamt selbst einen an der Waffel. In den 70er Jahren waren ausnahmslos alle Hippies und dauernd breit, die 80er Jahre waren nicht viel mehr als Schlaghosen, Dauerwelle und Dirty Dancing. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Doch was genau ist eigentlich ein Klischee?

    "[Klischees sind] vorgeprägte Wendungen, abgegriffene und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissene Bilder, Ausdrucksweisen, Rede- und Denkschemata, die ohne individuelle Überzeugung einfach unbedacht übernommen werden." Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1970.

    Abgegriffene und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissene Rede- und Denkschemata, unbedacht übernommen – das trifft es doch ganz gut. Deswegen hat man auch oft den Eindruck, sie wären 'ausgelutscht'. Meist ist man von der Wahrhaftigkeit von Klischees auch nicht gänzlich überzeugt, aber man nutzt sie trotzdem, ist ja auch leichter als sich selbst ein Urteil zu bilden. Sind sie negativ besetzt, werden Klischees schnell zu Vorurteilen. Aber ich meine, wir brauchen Klischees, auch wenn wir uns immer dagegen wehren, voreingenommen zu sein.

    Ein Klischee ist meiner Meinung nach nicht viel mehr als eine Art Orientierungshilfe, eine Schablone um Andersartigkeit oder Fremdes erfassen zu können. Denn Andersartigkeit verwirrt, ängstigt uns vielleicht manchmal. Wir brauchen etwas um das Andere zu katalogisieren, damit es an 'Unheimlichkeit' verliert. Wie könnte man Andersartigkeit leichter 'entzaubern' als mit einer ironischen oder sarkastischen Äußerung?

    "Frauen sind immer so emotional." Sagen die Männer, die oftmals Probleme mit Emotionalität haben (oh, wieder ein Klischee). "Männer hören nicht zu." Sagen die Frauen, die kein Problem damit haben, 3000 Silben am Tag zu wechseln und sich trotzdem alles Gesagte merken können (wieder ein Klischee!). Seht ihr was ich meine? Frauen sind anders als Männer, Männer anders als Frauen. Man muss versuchen diese Andersartigkeit zu fassen, ein Klischee kommt da sehr gelegen.

    Moment – muss man? Könnte man die Andersartigkeit nicht einfach so hinnehmen? Könnte man, würde dem aufgeklärten, toleranten Homo sapiens ganz gut anstehen.

    Aber ich meine, wir brauchen nun mal Schablonen, abgelutschte Denkmuster um Andersartigkeit zu begegnen – der Trick oder viel mehr der Fortschritt liegt darin, sich seiner Schablonen bewusst zu sein und Klischees nicht zu 'leben', oder sie zu ernst zu nehmen und sie damit zu festgefahrenen Vorurteilen werden zu lassen. Sondern sie zu erkennen und mit ihnen zu spielen.

    Absolute Verwirrung kann man stiften, wenn man heute dieses und morgen jenes Klischee bedient, damit wäre man wieder Andersartigkeit, par excellence und trotz Klischees kaum katalogisierbar. Heute 60er Jahre Style, morgen die unscheinbare graue Maus, übermorgen sexy Vamp und samstags Jogginghose. Am Montag ein bisschen seelenloser BWL-er und Dienstag dann der humorlose Veganer, nur um am Mittwoch nicht einparken zu können.

    Again: Lasst die Spiele beginnen!

    Freundschaft – eine moralische 'Verpflichtung'?

    Lasst uns nochmal an die letzten beiden Beiträge anknüpfen, an das Phänomen der Unverbindlichkeit.

    Ich hatte letzte Woche gesagt, dass der Grund für Unverbindlichkeit vielleicht der ist, dass man – gesteigert durch die Interaktion in sozialen Medien – immer mehr soziale Kontakte hat, denen man versucht gerecht zu werden. Man ist unverbindlich aus Angst jemanden vor den Kopf zu stoßen, zu enttäuschen, denn man kann nicht auf allen Hochzeiten zeitgleich tanzen. Man sagt also hier 'mal sehen', da 'vielleicht' und lässt so etliche Freunde oder Bekannte in der Schwebe, enttäuscht sie nicht direkt.

    Aber wie gesagt, die Erwartungshaltung macht die Enttäuschung – der Andere hatte mit einem gerechnet und ist dann über eine Absenz und mit einhergehende 'Non-Kommunikation' enttäuscht, schlimmstenfalls sogar wütend.

    Die Frage ist nun, ist dieser Grund für Unverbindlichkeit – der, dass man andere nicht enttäuschen will – überhaupt plausibel? Gibt es so etwas wie eine 'moralische Verpflichtung' in Freundschaften / Bekanntschaften? Ich sage es Euch gleich – ich bin mir nicht sicher.

    Einerseits denke ich ja, es gibt sie – denn was würde eine 'Facebook Freundschaft' sonst von einer normalen Freundschaft unterscheiden? Ich meine, wenn ich starken Liebeskummer oder einen herben Verlust erlebt habe, dann kann ich meine beste Freundin nachts um 3.00 Uhr anrufen und sie kommt. Weil sie meine beste Freundin ist – weil, vielleicht, so etwas wie eine moralische Verpflichtung unsere Freundschaft begleitet. Sie kommt weil es mir schlecht geht, ich 'erwarte' das beinahe oder zumindest, dass sie sich meinen Kummer anhört. Warum? Weil ich es auch tun würde. Es ist ein 'ungeschriebenes Gesetz' der Freundschaft – man tut es einfach. Es erinnert ein wenig an den kategorischen Imperativ oder zumindest an die Goldene Regel: "Was du (nicht) willst, dass man dir tut..."

    Von einem Facebook Freund kann ich das nicht erwarten, eben weil es meist 'nur' eine virtuelle Freundschaft ist, eine die auf 'Likes' und 'Comments' begründet ist, nicht auf einer gemeinsamen Vergangenheit oder Gegenwart, gemeinsamen Erlebnissen, schönen und schwierigen Momenten. Aber das würde ja bedeuten, dass man in Zeiten von sozialen Netzwerken, unterscheiden muss zwischen 'echten' und 'virtuellen' Freunden – und verschieden Ansprüche / Anforderungen an dieselbigen zu stellen hat. Aber das nur nebenbei. Zurück zur Freunschaft.

    Ich denke eigentlich schon, dass ich von einem echten Freund erwarten kann, dass er da ist wenn ich ihn brauche. Warum? Eben weil ich es genauso machen würde. Die Beziehung beruht auf einer Gegenseitigkeit, einer Art 'Verpflichtung'; hier ist also die Unverbindlichkeit fehl am Platz, denn hier würde ich Erwartungen enttäuschen.

    Ist es falsch von Freundschaft als einer moralischen Verpflichtung zu sprechen? Wäre Freundschaft nicht eher etwas, dass ohne Ansprüche / Forderungen auskommen müsste?

    Aber wie sollte das funktionieren? Wie definiere ich dann Freundschaft – wenn nicht als ein 'Geben und Nehmen'? Das ist das 'Andererseits', meiner Überlegung. Ich musste hier an Nietzsche denken: "Das Verlangen nach Gegenliebe, ist nichts als das Verlangen der Eitelkeit.'

    Nun gut, Freundschaft ist auch eine Art Liebe und wenn ich nun an den Anderen Forderungen / Erwartungen habe, nach dem Motto 'Ich würde das auch für Dich tun', also tue du es auch für mich. Kommen wir dann an den Punkt der Eitelkeit? Will ich nur zurück 'geliebt' werden, weil es meinem Ego gut tut oder weil ich eben auch Liebe schenke?

    Ich bin unentschlossen. Würde das nicht bedeuten, es existiert nahezu keine Freundschaft? Denn wer ist nur selbstlos und tut alles nur aus der Motivation Liebe heraus? Ohne Hintergedanken und vor allem, ganz ohne Erwartungshaltung!?

    Jeder hat doch insgeheim Erwartungen an eine Freundschaft – oder irre ich mich da? Freundschaft – eine moralische Verpflichtung?  

    http://hit-rock-bottom.xobor.de/t26f5-Freundschaft-eine-moralische-Verpflichtung.html#msg60

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