'Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken' – Klischee Betrachtungen
Der moderne und aufgeklärte Mensch, der in pluralistischen Gesellschaften lebt, müsste sich an 'Andersartigkeit', das 'Fremde' längst gewöhnt haben. Wir haben die Vorurteile – negativ besetzte Klischees – unserer Großeltern gegen ausländische Mitbürger, fremde Religionen oder Homosexualität zum größten Teil abgelegt.
Interessanterweise sind aber Klischees, die Vorstufe von Vorurteilen, nach wie vor präsent im täglichen Miteinander. Ein paar der wohl bekanntesten: Frauen können nicht einparken, Männer nicht zuhören, IT-ler meiden die Sonne und den sozialen Kontakt, BWL-er sind seelenlos, Philosophen hoffnungslose Träumer und Weltverbesserer, Veganer humorlose und kränkliche (wegen den fehlenden Nährstoffen) Moralaposteln, Germanisten enden immer als Taxifahrer und Psychologen haben allesamt selbst einen an der Waffel. In den 70er Jahren waren ausnahmslos alle Hippies und dauernd breit, die 80er Jahre waren nicht viel mehr als Schlaghosen, Dauerwelle und Dirty Dancing. Die Liste ist beliebig erweiterbar. Doch was genau ist eigentlich ein Klischee?
"[Klischees sind] vorgeprägte Wendungen, abgegriffene und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissene Bilder, Ausdrucksweisen, Rede- und Denkschemata, die ohne individuelle Überzeugung einfach unbedacht übernommen werden." Gero von Wilpert: Sachwörterbuch der Literatur, Stuttgart 1970.
Abgegriffene und durch allzu häufigen Gebrauch verschlissene Rede- und Denkschemata, unbedacht übernommen – das trifft es doch ganz gut. Deswegen hat man auch oft den Eindruck, sie wären 'ausgelutscht'. Meist ist man von der Wahrhaftigkeit von Klischees auch nicht gänzlich überzeugt, aber man nutzt sie trotzdem, ist ja auch leichter als sich selbst ein Urteil zu bilden. Sind sie negativ besetzt, werden Klischees schnell zu Vorurteilen. Aber ich meine, wir brauchen Klischees, auch wenn wir uns immer dagegen wehren, voreingenommen zu sein.
Ein Klischee ist meiner Meinung nach nicht viel mehr als eine Art Orientierungshilfe, eine Schablone um Andersartigkeit oder Fremdes erfassen zu können. Denn Andersartigkeit verwirrt, ängstigt uns vielleicht manchmal. Wir brauchen etwas um das Andere zu katalogisieren, damit es an 'Unheimlichkeit' verliert. Wie könnte man Andersartigkeit leichter 'entzaubern' als mit einer ironischen oder sarkastischen Äußerung?
"Frauen sind immer so emotional." Sagen die Männer, die oftmals Probleme mit Emotionalität haben (oh, wieder ein Klischee). "Männer hören nicht zu." Sagen die Frauen, die kein Problem damit haben, 3000 Silben am Tag zu wechseln und sich trotzdem alles Gesagte merken können (wieder ein Klischee!). Seht ihr was ich meine? Frauen sind anders als Männer, Männer anders als Frauen. Man muss versuchen diese Andersartigkeit zu fassen, ein Klischee kommt da sehr gelegen.
Moment – muss man? Könnte man die Andersartigkeit nicht einfach so hinnehmen? Könnte man, würde dem aufgeklärten, toleranten Homo sapiens ganz gut anstehen.
Aber ich meine, wir brauchen nun mal Schablonen, abgelutschte Denkmuster um Andersartigkeit zu begegnen – der Trick oder viel mehr der Fortschritt liegt darin, sich seiner Schablonen bewusst zu sein und Klischees nicht zu 'leben', oder sie zu ernst zu nehmen und sie damit zu festgefahrenen Vorurteilen werden zu lassen. Sondern sie zu erkennen und mit ihnen zu spielen.
Absolute Verwirrung kann man stiften, wenn man heute dieses und morgen jenes Klischee bedient, damit wäre man wieder Andersartigkeit, par excellence und trotz Klischees kaum katalogisierbar. Heute 60er Jahre Style, morgen die unscheinbare graue Maus, übermorgen sexy Vamp und samstags Jogginghose. Am Montag ein bisschen seelenloser BWL-er und Dienstag dann der humorlose Veganer, nur um am Mittwoch nicht einparken zu können.
Again: Lasst die Spiele beginnen!